Mit seinem Modell der Gemeinwohl-Ökonomie will Christian Felber zeigen: Kooperation belebt das Geschäft. Und Einschränkung bedeutet Freiheit.

Keine Frage, unser Wirtschaftssystem hat Mängel: Die Armut nimmt zu, der Hunger in der Welt auch und der Reichtum einiger ohnehin – wobei diese immer weniger werden. Dafür nehmen die Ressourcen unserer Umwelt dramatisch ab (siehe auch »Peak Everything«), genauso wie die Zahl der Tiere und Pflanzen oder das gefühlte Lebensglück in Industrienationen. So wundert es wohl niemanden, dass sich rund 90% der Deutschen eine neue Wirtschaftsordnung wünschen. So jedenfalls zitiert der Buchautor und Attac-Österreich-Gründer Christian Felber die Bertelsmann Stiftung (nicht im Verdacht ein neues Wirtschaftssystem zu wollen). Aber welche Wirtschaftsordnung sollte das sein? Christian Felber hat dazu eine Idee. Er nennt sie »Gemeinwohl-Ökonomie« und sie soll endlich die in unseren Verfassungen stehende Ausrichtung der Wirtschaft am allgemeinen Wohl realisieren…

In einem rund 160 Seiten umfassenden Büchlein hat Christian Felber sein Idee recht kurz und knapp zu Papier gebracht. Dabei hält er sich nicht lange mit der Analyse der aktuellen Missstände auf – die dürften jedem einigermaßen interessierten Menschen hinlänglich bekannt sein. Nein, er kommt recht zügig zu seinen Ideen für eine alternative Wirtschaftspolitik und -ordnung.

Das Gemeinwohl als oberste Maxime einer Wirtschaftsordnung

Zunächst soll die Wirtschaft erstmals das tun, wonach sie laut diverser Verfassungen überhaupt da ist: sie soll dem Gemeinwohl dienen. Doch was ist das »Gemeinwohl«? Wie definiert man es – und wie kontrolliert man, ob ein Unternehmen dazu beiträgt oder nicht? Nun, Christian Felber ruft zunächst auf, sich endlich von der Vorstellung zu lösen, man könne ein fertiges Gedankenkonstrukt – eine Ideologie – entwickeln, die die Lösung allen Übels verspricht. Ein äußerst angenehmer Zug!

Statt dessen schlägt er vor, die Entwicklung einer Gemeinwohl-Ökonomie als gemeinschaftlichen Gestaltungs- und Erfahrungsprozess zu begreifen. Das fängt bei der Bestimmung des Allgemeinwohl natürlich an: dies sollte in seiner Vorstellung gemeinsam definieren werden, in einem demokratischen Prozess. Felber widmet in seinem Buch daher auch ein ganzes Kapitel Überlegungen, wie man unsere repräsentative Demokratie zu einem dreistufigen, direkten Demokratiemodell weiter entwickeln kann.

Nein, nein – er ist aber kein idealistischer Elfenbeintürmler, der nun darauf wartet, dass seine Träume wahr werden. Er hat mit ein paar Unternehmern schon mal angefangen, etliche Gemeinwohl-Kriterien aufzustellen, die je nach Branche etc. natürlich auch unterschiedlich sein können. Dazu gehört zum Beispiel: Die Selbstbestimmung von Mitarbeitern, der Verzicht auf mediale Werbung oder die regionale Produktion.

Wer diesen Kriterien besser oder schlechter entspricht, bekommt mehr oder weniger Vergünstigungen – in Form von geringeren Steuerabgaben oder günstigeren Krediten, denn…

Die Demokratische Bank

…es gibt eine Demokratische Bank. Keine Angst, das heißt nicht, dass es keine Privatbanken mehr geben können soll (die müssen sich eben auch nur an den Gemeinwohlkriterien orientieren…). Aber die Demokratische Bank sorgt für einen flächendeckenden, sicheren und soliden lokalen Finanzmarkt. Dabei unterstützt und fördert sie vor allem Unternehmen und Projekte, die dem Gemeinwohl dienen. Ein Teil geht dabei auch in riskante Unternehmungen, solange ihr Vorhaben im Sinne des Gemeinwohls eine besondere Innovation verspricht (weitere Infos findet ihr auch in unserem Blogpost »There’s an Alternative: Österreicher gründen Demokratische Bank«).

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Christian Felber tanzt anscheinend auch… Das Bild stammt von Chris Waikiki (via Wikipedia)

Eigentum verpflichtet – zu viel Eigentum schadet

Darüber hinaus wendet sich Felber von zwei Mythen ab. Die Erste lautet: Konkurrenz sorgt für Effizienz und Fortschritt. Die Zweite: Nur wenn Menschen die Freiheit haben, so viel privaten Besitz anzuhäufen, wie sie wollen und können, kann man generell Freiheit und Wohlstand erreichen. Ein verfänglicher Trugschluss, wenn es nach Felber geht (und nicht nur ihm).

Denn die Freiheit des Einzelnen endet normalerweise da, wo sie das Wohl und die Freiheit anderer verhindert – ganz im Einklang mit unserer humanistischen Überzeugung. Nur das Recht auf privaten Eigentum endet derzeit noch nicht dort, wo dies nur mit der Einschränkung des Wohls anderer bzw. deren Freiheit möglich ist – und genau mit diesen negativen Auswirkungen unendlichen Reichtums haben wir ja gerade zu kämpfen (man denke nur an die Finanzkrise, die Spekulation mit Lebensmitteln oder sagenhafte Gewinne mit Technologien, die Menschen und die Natur schädigen – zum Beispiel die Kernkraft oder gentechnisch verändertes Saatgut): In unserem jetzigem System sorgen die maßlosen Gewinne der einen (wenigen) für das Elend der anderen (vielen).

Und so will Felber Reichtum mit einer ganzen Reihe von staatlichen Regulierungen dann einschränken, wenn er das Wohl anderer (aller) gefährdet. So sollen zum Beispiel die Unterschiede in den Einkommen begrenzt werden – in der Gemeinwohl-Ökonomie kann man nur noch maximal das 20-fache des Mindestlohns (von 1240 Euro/Monat) verdienen. Auch Privatvermögen oder die Größe von Unternehmen soll in diesem System begrenzt werden: Dann darf man maximal 10 Millionen Euro besitzen. Bei einem Unternehmen ab 250 Mitarbeiter gehen schrittweise immer mehr Prozent der Stimmrechte an die Belegschaft über – ab 5000 Mitarbeitern soll ein Unternehmen dann diesen selbst gehören.

Darüber hinaus schlägt Felber eine Begrenzung von Erbschaftsvermögen vor, weil sie heute wie kaum etwas anderes für ein zufälliges und unverdientes Ungleichgewicht bei den Lebenschancen sorgen. Daher soll jeder Jugendliche maximal ein Vermögen von 500.000 Euro erben können. Werden ihm schon vorher Vermögen geschenkt, werden diese auf diese Summe angerechnet. Gleichzeitig sollen die restlichen Erbschaften in einen Fond übergehen, aus dem denjenigen »Erbschaften« ausbezahlt werden, die eigentlich gar nicht erben würden. Somit will Felber dafür sorgen, dass junge Menschen zumindest ähnlich gute Startchancen haben.

Gemeinwohl durch Kooperation

Zum anderen Mythos – nämlich Konkurrenz sorge für Effizienz und Fortschritt und damit für das Wohl aller, von allen Vertretern der (neoliberalen) Marktwirtschaft mantra-artig wiederholt – konnte Felber keine einzige Studie finden, die diese These empirisch belegt, wie er in seinem Buch schreibt. Vielmehr zeigten Untersuchungen aus den Fachbereichen der Soziologie und Psychologie, dass diese These nur bedingt stimmt.

Zwar motiviere Konkurrenz und Wettbewerb, schreibt Felber. Doch handele es sich dabei um extrinsische Motivationen – nämlich zum Beispiel Angst vor dem Arbeitsplatz- und damit Prestigeverlust. Diese ungute Konkurrenz sorge schließlich dafür, dass wir in uns die schlechtesten Eigenschaften kultivieren: Gier, Neid, Aggression, Maßlosigkeit u.v.m. Dabei müsse es diese Motivationsstruktur nicht geben.

Es gibt laut Felber nämlich etwas, was uns Menschen noch viel mehr motiviere: das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen – sprich: die Kooperation – und eine sinnvolle Arbeit. Und in einer Gemeinwohl-Ökonomie, so Felber, gäbe es erheblich mehr (theoretisch sogar ausschließlich) sinnvolle Arbeit als heute, wo man mehr und mehr versucht, Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen, die eigentlich keiner wirklich braucht oder die sogar schädlich sind…

Das setzt auch einen Bewusstseinswandel sowie ein neues Sozialverhalten voraus, das zunächst einmal trainiert werden muss. Viele Allmende-Projekte dürften bezeugen, dass Menschen auch heute schon erfolgreich kooperieren (siehe auch unser Audio-Interview mit Silke Helfrich). Nichts desto trotz sollten diese Fähigkeiten bereits in der Erziehung und Schule gelehrt und geübt werden, findet Felber.

Zu guter Letzt: die Praxis

Aber grau ist alle Theorie, wenn die Praxis fehlt. Viele Utopien klingen in der Theorie so schön – und gehen in der Praxis schief. Zumal sich hier, wie so oft, die Frage stellt: wie soll dies alles Wirklichkeit werden, wo doch die Machtverhältnisse so sind, dass die am längsten Hebel sitzen, die von der aktuellen »GemeinUNwohl-Ökonomie« profitieren – und die diese mit Zähnen und Klauen verteidigen werden?

Nun, Christian Felber hat bereits zahlreiche UnternehmerInnen an seiner Seite (zumeist österreichische, aber auch einige, wenige deutsche), die sich an den bereits genannten Gemeinwohl-Kriterien orientieren. Zudem widmet er sich im Kapitel »Umsetzung und Strategien für die Zukunft« den Möglichkeiten, die jeder Einzelne von uns jetzt schon umsetzen bzw. angehen kann – zum Beispiel Diskussionsabende zu dem Thema veranstalten, andere Menschen über diese Idee informieren und anderes mehr. Und wer da nun mitmachen (oder sich zumindest genauer informieren will), schaut am besten unter www.gemeinwohl-oekonomie.org.

Für das Titelbild bedanken wir uns bei Grey95 (via pixelio).